Montag, 7. Februar 2011

Durch den Sommer mit Gary Moore

Bis 1989 wusste ich nicht einmal, wer Gary Moore überhaupt gewesen war. Erst durch Freunde erfuhr ich, dass er einer der besten Hardrockgitarristen sei, weswegen man unbedingt den Mann zumindest spielen hören sollte. Dann die Freude darüber, dass seine damals aktuelle Scheibe "After The War" im Radio komplett gespielt werden sollte.  Also ran an den alten Kassettenrecorder, einem schwarzen Nachfolger des RFT Sternrecorder R 160. Den bekam ich von meinem älteren Bruder geschenkt, als er sich eine Stereoanlage für 6.000 Mark kaufte. 


Mit ORWO-Kassetten sprang ich also zum Recorder und nahm in Monoqualität die komplette Platte auf. Ich war damals ziemlich begeistert mit 14 Jahren und hab wild meine länger werdenden Haare geschüttelt zu den wilden Soli und Rhythmen, die so mitreißend geschrieben waren, dass ich sogar die langweiligeren Helloween-Scheiben links stehen  ließ. 


"After The War", ist die letzte Hardrockscheibe von Gary Moore gewesen, bevor er mit "Still Got The Blues" eines für mich verwirrendes Album veröffentlichte. Meine Schwester mochte das auf einmal. Also war der Gitarrenheld für mich abgeschrieben. Bis zuletzt. Zwar hatte ich mich eingehender mit seinen Solowerken in den Achtzigern beschäftigt, die zwischen seichtem Schmus a la "Empty Rooms" und melodiösem Rock pendelten, nie aber die Klasse und Reife von "After The War" erreichten - für mich persönlich natürlich. Mit Thin Lizzy beschäftigte ich mich auch, die ich als sonderbar empfand, weil der Sänger Phil Lynott stets sagte, er sei Ire, aber aussah wie ein marokkanischer Gemüsehändler und offenbar die alten irischen Volksweisen mochte. 


Gewusst hatte ich auch damals nicht, dass auf "After The War" die gesamte Riege der damaligen Hardrockwelt zu hören ist: Cozy Powell an den Trommeln, der zu diesem Zeitpunkt bei Black Sabbath spielte,  dann der ex-Ozzy Osbourne-Basser Bob Daisley und ex-Ozzy-Tastendrücker Don Airey und Ozzy Osbourne himself bei dem Track "Led Clones", wo er und Moore über Bands wie Kingdome Come und Whitesnake herziehen, die nur optisch und hörbar Led Zeppelin kopierten. Das macht eben "After The War" ach so besonders. Neil Carter von U.F.O. hatte auf der 1988er Scheibe für ein paar Töne gesorgt, Jazz-Bassist John Graham ist hier zu hören, Schlagzeuger Charlie Morgan (Tina Turner, Elton John, Paul Mc Cartney u.a.) trommelte auf "After The War" wie Simon Philipps (Judas Priest, Mike Rutherford, The Who, Toto, Mike Oldfield), Chris Thompson von der Manfred Mann's Earth Band spielte hier die Sechssaitige, Andrew Eldritch von den Sisters Of Mercy lieh bei den Tracks "After the War", "Speak for Yourself" and "Blood of Emeralds" seine Stimme. Sam Brown (Hit "Stop!") hatte bei "Ready For Love" ihre Kehle zum Klingen gebracht wie die hierzulande unbekannte Sängerin Miriam Stockley.


"After The War" ist für mich der Soundtrack für den Sommer 1989 gewesen, bis 1990 hinein, bis ebenjenes "Still Got The Blues" veröffentlicht wurde. Hört man einfach mal neben den dem Titeltrack auch das schwere Riffing bei "Speak For Yourself" und "Running For The Storm", dann weiß man, wie packend Hardrock geschrieben und gespielt werden kann. Verwirrend für mich, dass dieses Werk nie als Referenz für Gary Moor's Schaffen heran gezogen wird, stattdessen die seichteren und unschlüssigeren  "Wild Frontier" und "Run For Cover" zitiert werden.


Verwirrender für mich ist aber der Fakt, dass ich bis heute es nie schaffte, das Thin Lizzy-Spätwerk "Black Rose" zu hören, worauf Gary Moore die Saiten schrubbte. Auch sein Erstlingswerk "Grinding Stone" sowie Skid Row sind mir nicht bekannt. Mit letzterer setzte ich immer die amerikanischen Schmuserocker um Sebastian Bach gleich, die mit "18 in Life" in den Charts 1989 geisterten. Interessant hier ist, dass Gary Moore kein großes Aufhebens machte um die Verwendung des Bandnamens seiner ersten Band aus den Siebzigern. Dann der Zwergenaufstand ein paar deutsche Spießer 2008, die früher mal eine Krautrockband hatten, die heute keiner mehr kennt. Gary Moore solle Urheberrechte verletzt haben, indem er eine Idee "geklaut" haben soll. Komisch und geschmäcklerisch hierbei ist eigentlich nur, dass es den wohl früher zugedröhnten Krautrockern jahrzehntelang nicht aufgefallen ist, dass jemand etwas spielt, dass zufälligerweise genauso klingt wie "ihr" Lied. Wohlmöglich haben die "Krautrocker" auch nur aus irgendeinem Fundus von Bluesstandards entlehnt, aber darüber redet niemand. Aber Gary Moore ans Bein pinkeln, vielleicht im Glauben, man könne seine eigene Rente aufbessern. Nun kann man an dieser Stelle wirklich darüber nachdenken, wer wirklich etwas geleistet hatte: eine unbekannte Krautrockband oder eben Gary Moore, der mit seinem mitreißendem Spiel Horden an künftigen Musikern an die Gitarren trieb. 


Die Nachricht, dass der Ausnahmegitarrist jäh verstarb, hat mich trotz meines Desinteresses an sein Werk doch mitgenommen. Auch wen mich Moore's Spiel nicht an die Gitarre trieb, ich mehr oder weniger nur an "After The War" interessiert bin, bedeutete dieser Mann und seine Gitarre ziemlich viel. Und das geht sicher auch vielen anderen so, wenn sie seine Werke hören und besonders Moore's Spiel bewundern.