Donnerstag, 27. Mai 2010

Neue WGT-Linie: Die wunderliche Reise mit der Linie 31

Müde versunken wiegen Schwarzröcke in der Nacht zum Samstag im steten Takt der schaukelnden Tatra-Bimmel. Die Linie 31 verbindet das agra-gelände mit der Innenstadt, indem sie von der Karl-Liebknecht-Straße Richtung Tabaksmühle abbiegt und dann zu den Tierkliniken einschwenkt. So dass alle auseinander liegenden Locations miteinander verbunden werden und keiner laufen muss.

Ab diesem Jahr wird die Straßenbahnlinie 11 zum WGT durch die Sonderlinie 31 verstärkt. Diese verkehrt zwischen Hauptbahnhof und Straßenbahnhof Dölitz über Augustusplatz zum Wilhelm-Leuschner-Platz, weiter zur Haltestelle Bayrischer Bahnhof und dann bis zur Haltestelle "An den Tierkliniken". Anschließend verkehrt die Straßenbahn über Zwickauer Straße, Richard-Lehmann-Straße und Karl-Liebknecht-Straße zur Haltestelle Connewitz, Kreuz und dann weiter zum Straßenbahnhof Dölitz. Was auf der neuen Strecke so passieren kann, weiß keiner so richtig. Erzählen sich später vielleicht Fahrgäste von der wundersamen nächtlichen Reise mit der Linie 31. Denn offenbar scheint nicht jedem bekannt zu sein, wohin die neue WGT - Bimmel führt. Und offensichtlich gibt es hier auch etwas zu erleben.

"Fährt die Straßenbahn über den Augustusplatz?", fragt eine junge Frau einen schwarz gekleideten Fahrgast mit Kapuzenjacke und Schlips. Sie schwenkt eine Lache Bier in der von ihrer Faust aufgewärmten Flasche. "Sicher. Alle Wege führen in die City." entgegnet müde der Fahrgast und nestelt nervös sein Festivalbändchen. Sie scheint seiner Antwort zu vertrauen. Wenig später steigt die Dame mit ihrer Freundin in den hinteren Waggon, weil dort noch Sitzplätze frei sind. 

Eine Haltestelle später steigt ein Punk mit seiner Liebsten ein. Sichtlich unsicher schwankt er auf dem wackelnden Boden. Bierfahne. "Fahrkartenkontrolle!", ruft er in den halb gefüllten Wagen, lacht und schiebt sich an einen Einzelgänger in der hinteren Wagennische an. "Du bist wohl der Eckenwart hier, hää?", fragt er lallend grinsend er zu dem jungen Mann. "Sozusagen.", murmelt er unsicher ins Leere. "Hey!!!", ruft der Punk mit dem roten Irokesenschnitt in die Bimmel, "Wo sind eure Fahrausweise. Ihr seid wohl alle Schwarzfahrer?", kichert er über seinen schrägen Witz. Ihn schauen zwanzig Augenpaare an. "Guck mal die, dieser Wabbel da vorne mit den Netzstrumpfhosen.", rempelt er den in der Nische stehenden Schlipsträger an. "Sieht das zum speien aus." Der Getroffene ist sichtlich unwohl mit seinem neuen Nachbar an seiner Seite. "Wem es gefällt", antwortet einsilbig der Genervte. "Hey, was nimmst Du denn für Drogen?", fragt ungeduldig der bunte Mann in der zerschlissenen Jeans. Seine Zähne blitzen braungelb und stumpf glänzend aus dem feixenden Gesicht. Der unfreiwillige Gesprächspartner sagt: "Keine." 

Staunen beim Gegenüber. "Aber wenigsten Alk ohne Ende. Schalalala!" - "Nö." Es herrscht kurze Zeit Stille in der Wagenecke. "Ahhh, verstehe. Aber nächste Woche auf der Wiese rumliegen. Gesicht in der Sonne. Hahahaha." Dann wendet sich der Punk torkelnd anderen Gesprächspartnern zu. "Wohin gehts?" - "Wissen wir nicht. Mal sehen, wohin uns die Bahn trägt." - "Hmm. Ihr wisst nicht, was ihr macht hier?", fragt der langsam aufwachende Mann mit der bunten Frisur. "Komm", sagt er zu seiner Freundin, "ich habe genug von der Bande. Haun wir ab!", drückt den Türknopf und steigt wankend aus.

Inzwischen steigen auch Schwarzkittel aus, nachdem die ruckende Bimmel quietschend von der "Karli" abgebogen war. Wahrscheinlich vertrauen sie der Linie 31 nicht so ganz und wollen auf der ihnen vertrauten Strecke bleiben. Kein Wunder, werden sie auch in der Bahn nicht auf die neue Streckenführung hingewiesen. Nur die Haltestellenanzeige blinkt auf. Kein Plakat oder Zettel, auch kein Plan wird in der Tram den meist ausländischen Gästen angeboten. Abseits der normalen Streckenführung fühlen sie die "Gruftis" dann auch teils hilflos, teils amüsiert den Widrigkeiten der nächtlichen Fahrt ausgeliefert.

In der nächsten Haltestelle kurz vor den Tierkliniken steigen drei junge Männer mit mehreren Basecaps auf den Köpfen zu. "Ya Man! Ya Man!", rufen sie in die Bahn, den schwarzen Haufen ignorierend. Sie turnen am Gestänge herum, haben ihren Gleichgewichtssinn nicht in Beherrschung, torkeln absichtlich unabsichtlich gegen stehende Schwarzkittel. "Gotenschubsen", nennen sie das. Die Fahrgäste beobachten die seltsame Szene. Die drei Männer springen zum Klappfenster. "Sieh mal, wer das Feuer dort wohl nur gelegt hat?", lallt der eine. Sie lachen und nicken sich wissend zu. Sie freuen sich über das flackernde Feuerchen auf dem schmalen Grünstreifen in der Nähe der Alten Messe. "Ya Man! Ya Man! Ya Man!" Wie kleine Äffchen hangeln sich die Typen am grauen Gestänge entlang. Der eine macht Anstalten, etwas aus seiner Tasche zu holen. Der grüne Filzschreiber wird unsicher über die Innenwände und Scheiben geführt. Krikelkrakel, das wie Schriftzüge erinnert. 

Nun steigt der eine Kompagnon plötzlich aus. Aufmerksame Beobachter sehen ihn jetzt an der Haltestelle mit einem Prinzesschen in schwarzen Rüschen aufgeregt reden. Seine beiden Kumpel scheinen das nicht mitzukriegen. Einer stellt sich auf dem Boden liegend tot. Er grinst dabei. Scheinbar findet er das lustig. Sein Kumpan versucht ihn aufzuhelfen. "Komm schon, Sebastian ist weg." - "Was?". Anscheinend wieder nüchtern geworden erhebt sich der Basecap-Träger unsicher. Beide reißen die Türe auf: "Hey, Ya Man! Hallo Ya Man!!", rufen beide. "Steig wieder ein!" Sebastian macht keine Anstalten einzusteigen, er flirtet mit dem Mädchen. "Wo is`n der Stift? Hast Du einen Stift einstecken?", fragt der junge Mann den Fahrgast in der Ecke. "Nein, ich habe keinen dabei." antwortet dieser während ihm ein Kugelschreiber am orangefarbenen Band am Hals hin und her baumelt, das ihn offenbar als einen Vertreter der schreibenden Zunft ausweist. "'Ne Zigarette?" - "Ich rauche nicht, Sorry.", grinst der Angesprochene zurück. Am Bayrischen Platz reißen beide die Türen auf. Die Haltestelle ist noch nicht erreicht. "Ya Man! Ya Man" schallt es in die Nacht.

In Leipzig muss sich niemand verfransen. Hilfreich ist wohl, dass die LVB separat zum Treffen mit Flyern auf die neue Linienführung zum WGT hinweist. Oder mit der Treffenleitung vereinbart, einen extra für das Treffen herausgegebenen Fahrplan mit den eingezeichneten Streckenführungen an die Besucher herausgibt. Service kann man manchmal so einfach ein.