Montag, 28. Dezember 2009

Ein großer Satz nach vorne: Die Leipziger Metalcore-Band Portrait Of Tracy mit neuem Line Up

Sänger Ozzy und Gitarrist Phil sitzen entspannt in einer gemütlichen Lounge der Moritzbastei. Der tattrige „Prince Of Darkness“, Ozzy Osbourne ist nicht etwa bei den sächsischen Untergrund-Metallern eingestiegen, nein. Ozzy ist ein springfideler Mittzwanziger und bekennender Straight Edge-Anhänger aus der Pleiße-Metropole L.E. 


Straight Edge heißt soviel wie kein Alkohol, kein Fleisch, keine One Night-Stands und Gehirn einschalten. Im richtigen Leben heißt er Oscar Michlenz und will nun das schaffen, was der Leipziger Metalcoreband „Myra“ bereits gelingt: Mit Musik leben und auf den großen Bühnen der deutschen Clubs und Festivals zu stehen.


Im November hat die Leipziger Metalband Portrait Of Tracy den zweiten Auftritt mit dem charismatischen Frontmann absolviert. Warum kommt von der Band gerade jetzt der massive Druck gerade im Gesang Ozzys nach vorne und welche Pläne haben die Leipziger für die Zukunft?



Portrait Of Tracy wurde vor fünf Jahren in der Pleißemetropole gegründet, setzt auf metallische Markenzeichen, aber auch Hardcore Punk. Ein wenig windet sich die junge Band mit der Begrifflichkeit „Metalcore“, auch wenn ihre Musik so klingt. Im Leipziger Raum wurden sie recht schnell bekannt für ihren unverwechselbaren Klang, hatten sie doch einen völlig anderen Sound gefahren als ihre Kompagnons von „Myra“ und „Arranged Chaos“. Nun gab es auch einen Sängerwechsel. Gitarrist Phil hatte vorher eher die höheren Tonlagen getroffen, Ozzy entpuppt sich als springender Brüllwürfel. Noch steht das musikalische Pflänzchen auf wenig bewässerten Boden, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Touren soll ja bekanntlich beim Bekanntwerden helfen, am 12. Februar treten sie wieder in Leipzig auf.


Ozzy absolviert bei seinen Auftritten sowohl bei Locust Reign als auch bei Portrait Of Tracy immer eine sehr sportliche Show. Würde er das auch durchhalten, wenn der bärtige Mann mit Portrait Of Tracy zehn Tage am Stück auftreten müsste? „Ich müsste es versuchen. Da hilft nur trainieren, für den Fall, dass wir doch noch mal touren.“, sagt der freundliche Sänger mit leiser und ruhiger Stimme. Neben ihn sitzt Gitarrist Phil, der vorher auch den Sängerposten inne hatte. Er erzählt ausführlich, wie die Band auf „Ozzy“ stieß: „Früher habe ich ja gesungen. Irgendwann wurde mir das zu langweilig. Nicht dass mir Singen keinen Spaß bereiten würde. Es ist nur so, dass man am Mikro und an der Gitarre gleichzeitig wenig Möglichkeiten hat, die Leute anzufeuern. Man steht nur an einem Fleck und kann sich kaum bewegen. Wir sagten uns dann als Band, wir brauchen jemanden, der den Fans einheizt und nach vorne prescht. Gerade während der Instrumentalparts ist das wichtig. Ich überlegte mir dann, wer für uns den Frontmann machen kann. Mein erster Gedanke war, eben „Ozzy“ zu fragen.“


In Leipzig läuft man sich ständig über den weg und kennt sich schon längere Zeit. Phil schildert das 'Wie' in seiner heiteren Weise: „Ich hatte ihn letztes Jahr mit seiner Band „Locust Reign“ im Werk 2 gesehen, und war von seiner Action begeistert und auch stimmlich passte es ganz gut. Später schrieb ich ihn über ein soziales Netzwerk an und wartete auf seine Antwort, weil er lange Zeit sich nicht meldete. Dann ging es ganz schnell, er rief an und sagte „Ich habe Lust mitzumachen“. Dann haben wir uns nur über unsere Vorstellungen ausgetauscht und nun treten wir zusammen mit ihm auf. Im August lief das über die Bühne. Das ist also noch sehr frisch, dass „Ozzy“ dabei ist.“


Ihr erster Auftritt mit Ozzy fand in Goslar statt. Das war ein sehr kurzfristiger Auftritt. Portrait Of Tracy spielten im November in der Stadt. Ozzy erzählt rückblickend: „Das war echt eine Überraschung dort. Wir hätten nicht gedacht, dermaßen in Goslar abzuräumen. Die Leute waren begeistert und haben mitgemacht, kamen auf die Bühne. Für uns war das ein voller Erfolg und auch eine super Bestätigung. Die Veranstalter waren mit dem Konzert auch sehr zufrieden und wollen uns auf jeden Fall wieder dabei haben. In Goslar hat uns das wirklich kalt erwischt. Wir sind immer noch perplex, wie positiv unsere Musik aufgenommen wurde. Mit „Locust Reign“ hatte ich schon meine Erfahrungen dazu gesammelt und auch recht gute Reaktionen erfahren, aber mit „Portrait Of Tracy“ war das eine ganz andere Stufe. Schon allein, was das Songwriting angeht und das Equipment.“
Phil fügt lächelnd hinzu: „Für Leipzig war das besonders spannend, weil die Leute hier beide Gruppen kennen, also „Locust Reign“ und „Portrait“. Ich selbst habe mich nicht so auf das Publikum konzentriert, so dass ich hier nicht viel sagen kann. Aber uns kam zu Ohren, dass viele unseren Auftritt auch cool fanden. Experiment geglückt, sage ich da mal.“


Noch gibt es auf ihrer Myspace-Seite die Songs, die Phil, eingesungen hat. Die Band beruft sich auch ein wenig auf die kanadischen Prog-Metalcore-Helden„Protest The Hero“. Jetzt auch noch? Der Gitarrist windet sich ein wenig bei dem Gedanken, den selben Anspruch wie Protest The Hero mit seiner Band zu besitzen: „Jein. Protest The Hero sind nur an der Stelle dabei, wenn es um schnelle Gitarrenläufe geht und technisch anspruchsvolle Arrangements. Dafür sind sie definitiv ein Anreiz. Mit „Ozzy“ ist das jetzt ein Stückchen weit anders. Er hat einen brutaleren Gesangsstil, was vor seinem Einstieg auch anders war als ich noch sang. Bei „Protest The Hero“ sind meiner Meinung nach auf viele klassische Metal-Elemente drin, wie die Kopfstimme.


Als viele hörten, dass „Ozzy“ bei Portrait Of Tracy eingestiegen ist, gab es auch die Vorstellungen, dass sich der Sound anders würde. Man kann sich nur schlecht vorstellen, dass er ausschließlich hoch singt. Schreibt die Band neue Stücke, oder belässt sie es erst einmal beim Auftreten? Phil relativiert auch hier ein wenig und korrigiert: „Der erste Schritt ist für uns erst einmal, zwei Lieder mit „Ozzy“ aufzunehmen. Die wollen wir zunächst auf unsere Myspace-Seite zum klingen bringen. Uns geht es mehr um die Booking-Angelegenheiten, weil wir den Leuten nicht ständig erklären wollen, dass sie sich unseren jetzigen Klang wie eine Mischung aus uns und dem Gesang von „Locust Reign“ vorzustellen hätten. Album … , mal sehen, was nächstes Jahr auf uns zukommt. Erst einmal viel auftreten.“


Dann schwenkt das Gespräch zu einem Thema um, das seit Jahren viele Hardcore Punk- und Metalfans interessiert, spaltet oder auch vereint. Metalcore ist für beinharte Metalfans ein Schimpfbegriff. Nicht zuletzt liegt es auch am Benehmen einiger weniger Fans, die wüst herum rüpeln und durch ihr rücksichtsloses Gebaren auffallen. Das ist nicht immer so, wie man es erst am 27. Dezember im Leipziger „Absturz“ sehen konnte, als die Leipziger Metalcore-Band „Myra“ ihren hundertsten Auftritt feierte. Hier wurde schon aus Platzgründen wenig geschubst. Manchmal spielen Vorurteile gegenüber die Straight Edge-Bewegung eine Rolle, dass die Szene missliebig beäugt wird. Doch gibt es in der so genannten Metalcore-Szene immer noch Weg weisende Impulse, Neuerungen? Oder ist das Ganze auf der Musikebene mitterweile ausgelutscht und abgenutzt? Phil und Ozzy steigen sofort auf das Thema ein und distanzieren sich ein Stück weit vom klassischen Bild einer Metalcore-Band, Phil gibt das pro: „Der Begriff ist unserer Meinung nach nicht so ausgelutscht. Es ist etwas anderes, das uns an „Metalcore“ stört. Metalcore hat viele Schnittmengen mit Hardcore Punk. Letztere ist ziemlich politisch, zumindest findet man dort inhaltsstarke Texte mit Aussage. Das fehlt unserer Ansicht nach ein wenig im „Metalcore“. Wir wollen Inhalt und Aussagekraft für uns einbringen. Die Mischung von Metal und Hardcore Punk finde ich an sich nicht schlimm. Wenn es gut gemacht ist, warum nicht.“ Frontmann Ozzy kontert freundlich: „Ich bin da gegenteiliger Meinung. Metalcore besitzt für mich eine negative Konnotation. Im Laufe der Zeit wurde dieser Stil zu einem Klischee, zum Mainstream. Der Begriff ist für mich sehr verbraucht. Deswegen versuche ich immer eine eigene Stilbezeichnung zu finden. Mit „Metalcore“ wird man immer mit den Trendhoppern in einen Topf geworfen. Die Bezeichnung ist für mich auch zu allgemein gehalten.“ der bebrillte Gitarrist ergänzt versöhnlich: „Wenn jemand uns in die Ecke „Metalcore“ schiebt, weil er uns nicht anders einordnen kann, gut. Nur wenn ich gefragt werde, welchen Stil wir mit unserer Band spielen, dann wird es schwierig. Durch unsere Einflüsse haben wir eigentlich einen eigenen Stil entwickelt. Mit unserem neuen Line-Up ist eben alles anders. Wir beginnen einfach neu und ich denke, dazu werde ich mir noch die passende Stilbezeichnung einfallen lassen.“


Auftreten, auftreten, auftreten. Die Leute werden schon Portrait Of Tracy registrieren. Dann will die Band weitersehen, was auf sie zukommt. Das wichtigste ist für sie erst einmal Live spielen.


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New Hate Rising: Myra verdoppeln Angriffslust

Eigentlich war es ein Freizeitabend am 27. Dezember. Das Jahr ist alt, Myra haben im Absturz ihre einhundertste Show geliefert und das Publikum feierte Weihnachten nach. Die Leipziger Metalcore-Band um Sänger Sebastian Spillner befindet sich gerade mitten im Mixen ihres neuen Albums, das im April über die Ladentheken gehen soll.


Der Absturz ist eine Musikkneipe mit einer kleinen Bühne auf dem Feinkostgelände an der berühmten Kneipenmeile "Karli" gelegen. Man muss zunächst über den kargen Hof stiefeln, an den verschmutzten Dixie - Toiletten vorbei durch eine wackelige Holztür. Das Innere ist übersichtlich: links neben den Eingang ist gleich die Bühne. Weiter hinten an der rechten Seite befindet sich der gemütliche Tresen. Preise von 2 EUR das Drittel Liter Bier in kleinen Szeneflaschen plus Pfand von 50 Cent. Die Preise sind dem gehobenen Standard der Karli angepasst, obwohl Lage und verwittertes Aussehen niedrigeres Entgelt vermuten lassen. Aber egal.


Zusammen mit "In The Lines We Cross" und "Coldburn" wollen "Myra" mal die frische Luft außerhalb des Studios von Disillusion-Fronter Andy Schmidt schnuppern. Ist auch richtig, denn so erproben "Myra" zwei neue Songs auf Bühnentauglichkeit. Ansonsten steht Party an im dichtbepackten Absturz. Nach den beachtenswerten Auftritten der beiden Vorgruppen gibt es für die Leipziger kein Halten mehr. Das Adrenalin geht bei Frontmann Sebastian Spillner auf Höchstwerte. Unentwegt springt er ins Publikum, lässt sich auf Händen surfend durch das Auditorium tragen. Songs ihres letzten Albums "The Venom It Drips" lassen die vorderen Reihen brodeln. Weil Weihnachten ist, gibt es auch gleich Fangeschenke: Poster der Band vom diesjährigen Auftritt beim With Full Force, wo die fünf mit dem Rücken zu den Massen in der Tentstage stehen. Myras bis dato größter Auftritt überhaupt.


Mit dem neuen Album wird das hoffentlich ein Dauerzustand. Gilt die beliebte Band schon als neuer Komet am deutschen Metalcore-Firmament, wo schon Maroon, Neaera, Heaven Shall Burn und Caliban ihren Platz gefunden haben. Weitere Bands aus LE. können mit Arranged Chaos und Portrait Of Tracy folgen. Doch 2010 steht die Aufmerksamkeit ganz "Myra" zu, auch wenn "Arranged Chaos" ihr erstes richtiges Debütalbum veröffentlichen werden.

Sonntag, 27. Dezember 2009

Moritzbastei: Phillip Boa & The Voodooclub wärmen Veranstaltungstonne auf

Er gehört mit seiner Band zu den letzten Einhörnern des Independent-Rocks. Phillip Boa & The Voodooclub gastiert seit Jahren zu Weihnachten in der Leipziger Moritzbastei. Dieses Ereignis ist schon Tradition im alten Gemäuer. Aber im Gegensatz zu vielen Künstlern, die mit der MB altern, zeigt sich Boa mit seiner Band frisch wie vor 25 Jahren, als der Voodooclub gegründet wurde.


Am 25., 26. und 27. Dezember gab der Voodooclub um Sänger und Komponist Phillip Boa und Sängerin Pia Lund sein neuestes Werk „Diamonds Fall“ zum Besten. Aber auch alte Hits wie „Container Love“, „Kill Your Ideals“ und „Then She Kissed Her“ kommen an diesen Abenden nicht zu kurz.



Einen entspannten Einstieg findet der Abend, dass niemand am Einlass Schlange steht, gemütlich kühle Schwarze und Blonde gezischt werden, während man ein wenig am Verkaufsstand nach dem neuesten Album „Malta Tapes Vol. 1“ stöbert. Oder man speist an den langen Holztischen am Verbindungsschlauch zwischen Rats- und Veranstaltungstonne. Langsam startet auch der rockige Eröffner „Eher Uncool“. So heißt die frische Gruppe, die Leipzig mit melancholischen, neblig-rauchigen Indie-Rock verzaubert. Ihre nachdenkliche Mischung aus Blumfeld und Joy Division kommt bei den Leipzigern gut an. Sanft wird applaudiert, neugierig beäugt und beschnuppert. Warum „Eher uncool“? Der Name ist doch „cool“ gewählt!



Die deutschsprachig singende Truppe ist eine feine Wahl für heute Abend. Die Band eröffnete mit ihrem zitternd fragilen Gitarrenpop schon 2006 für Boa. Zumal Sänger Alexander noch am Ende der halbstündigen Show seine verträumte Liebe über Leipzigs „Großstadtmeile“ Karl-Liebknecht-Straße auspackt und nun endlich für Zustimmung und Kopfnicken beim zögerlichen Publikum sorgt. Hier wird wohl so mancher neuer Zuhörer gewonnen. Am Abend zuvor spielten die Leipziger Rocker „Cox And The Riot“, die nach Hörensagen gehörig abgeräumt haben sollen. Wenn die Band so weiter macht, kann sie bald Leipzig größter Export nach „Disillusion“ werden, munkelt man.


Bald wird es voll am Tresen und auch in der kühlen Veranstaltungstonne. Das verwitterte Gemäuer wärmt sich bald auf, als immer mehr Menschen in sie hinein strömen. Dicht an dicht stehen die Reihen als das Licht aufblendet und der Voodooclub mit Sonnenbrillen mit „Lord Have Mercy With The 1-Eyed“ vom neuen Album „Diamonds Fall“ einsteigt. Aufbrausender Jubel bei den Fans, die nach diesem Lied schon herumspringen und kuschelnd rempeln.



Pogen bei Boa? Das ist möglich, wenn der gut aufgelegte Sänger mit farbig unterfütterten Stücken wie „Eugene“ und „All I Hate Is You“ los legt. Über zwei Stunden genießen Boa und Sängerin Pia Lund bei der bunt gesprenkelten Lichtshow ihren Best-Of-Auftritt und kommen für drei Zugaben zurück auf die Bühne. „This Is Michael“ gehört ebenso zu den vom Publikum mitgesungenen Liedern wie „Container Love“. Am Ende klatschen die Menschen mit „Pia! Pia!“-Rufen die blonde Sängerin zurück in den Saal. Dann haucht sie zum Abschied den ewigen Hit „And Then She Kissed Her“, der von jedem in der Tonne mit gesungen wird und für Gänsehautstimmung sorgt. Auch die neuen Liedperlen wie „Diamonds Fall“, „“Valerian“ und „Jane Wyman“ werden ausgiebig gefeiert. Zum Schluss kommt der Maestro noch einmal auf die Bühne und verabschiedet glücklich die ersten Reihen mit Händeschütteln und einem Lächeln auf den Lippen. Boa kommt wieder. Das ist sicher.


So brechen die Anwesenden mit guten Erinnerungen an ein überragendes Konzert auf, das die gesamte Breite des musikalischen Schaffens des Voodooclubs absteckt und zudem mit dem Verkauf der „Malta Tapes“ noch einen Mehrwert mit gibt. Manche von ihnen verirren sich in der benachbarten Ratstonne, wo DJ KillaSeppel bei der Heavy Metal Nix Im Scheddel-Party den einen oder anderen Indie-Rocker zu den dumpfen Klängen von Sepultura tanzen lässt.


Mehr Infos:


http://www.phillipboa.com/


http://www.youtube.com/user/pboa


http://www.myspace.com/phillipboaandthevoodooclub