Freitag, 13. November 2009

Bejubelte Routine: Paradise Lost schlurfen durch das Conne Island

Nach zwanzig Jahren Bandgeschichte ist bei so manchen Gruppen die Luft raus. Das mag musikalisch nicht so stimmen. Aber wenn alteingediente Bands auf der Bühne lasche Posen liefern, die man schon andern orten gesehen hat und sich seit Jahren nichts ändert außer die neu hinzu gekommenen Lieder, dann muss man von Stagnation reden. So gesehen bei den Metal-Gruppen Paradise Lost und Samael am 12. November im Conne Island.



Die Briten „Paradise Lost“ sind jedes Jahr auf Tour. Mal länger, mal kürzer. Dann kann schon die Freude und Empathie zur Musik, ihrer Leidenschaft vorm Hintergrund des Geldverdienens weichen. Das Musikerleben als Job. Das ist nicht weiter schlimm. Aber wenn Profis wie „Paradise Lost“ bei einem Konzert wie das mit knapp 600 Personen gefüllten Conne Island die Euphorie der Gäste nicht aufgreifen können und eine knappe Stunde Songs ihrer Karriere bis 1992 zurück abspielt und lediglich wie ein DJ in eine passable Reihenfolge mischt, geht alles Spontane verloren.


Den Fans ist das egal. Hier wird ziemlich alles gefeiert, was „Paradise Lost“ bieten. So betten sie ihre neuen Songs vom Album „Faith Divides Us – Death Unites Us“ in die Stücke ihrer düstermetallischen Frühphase. Auch die poppigen Stücke werden gefeiert. Die Band muss sie schon im Schlaf spielen können. Präzise rinnt Stück für Stück die Sanduhr hindurch. Doch nach der anfänglichen Freude, kommt schnell Ernüchterung. Warum stellt Sänger Nick Holmes den Aushilfsgitarristen Milly Evans nicht vor? Nicht alle Fans wissen, dass Gitarrist Greg Mackintosh zurück nach England flog, weil sein Vater schwer krank wurde. Wo waren die Zugaben? Wo war die Lust am Spielen. Lastet die Abreise von Mackintosh doch stärker auf die Band? Oder ist die Gruppe einfach nur ausgelaugt nach nur zwanzig Konzertterminen? An den müden Mienen von Bassist Steve Edmondson und Sänger Nick Holmes erkennt man die Tretmühle Tourleben.



Die Tretmühle schlägt bei „Samael“ aus der Schweiz auch durch. Klar, dass die schwermetallische Band um die beiden Köpfe Xy und Vorphalack nur mit Routine den Touralltag bestreiten können. Auch wenn die 1990 gegründete Gruppe Profis genug sind, den Fans in Leipzig zu vermitteln, nur sie allein sind die Größten, schimmert ein wenig die große Geste und Pose durch: eben jene Gestiken und Ansagen, die andere Fans in so vielen Städten und auf unzähligen Festivals bereits gesehen haben. Auch die pumpenden Rhythmen führen langfristig nicht zu den durchschlagenden Ergebnissen, die sich die Band erhofft. Lediglich das langsam schleppende „Into The Pentagram“ sorgt für mehr Bewegung im Publikum. Werden die Stücke aber wieder schneller und druckvoller, verlieren sich die Reaktionen in verhaltenes Klatschen.


Man ist froh, dass es vorbei ist. „Samael“ befand sich schon 1996 im Haus Leipzig in den am 12. November demonstrierten Zustand, nach 13 Jahren hat sich nicht viel geändert. Bei Paradise Lost ist der Fall tragischer; 1994 hatten sie noch Clubs wie das Haus Auensee gefüllt, nun tingeln sie durch „Wohnzimmer“. Das ist die Realität, das unterstreicht die Wichtigkeit der Gruppe, trotz guter Alben. Der Zenit ist überschritten; Paradise Lost befinden sich gerade auf einer aufgestellten Zacke ihrer stetig sinkenden Erfolgskurve. Sicher werden sie irgendwann jedes WG-Zimmer zum Rocken bringen, aber seit zehn Jahren scheint es so, dass sie sich auf einer nie endenden Abschiedstournee befinden. Egal wie viele Fans ihnen dabei zu jubeln.   


Fotos von Enrico Ahlig