Sonntag, 7. November 2010

Alexisonfire: Dog's Blood EP

Alexisonfire spielen Hardcore Punk. Melodisch ist es und hart. Vergangenes Jahr haben sie mit "Old Crows, Young Cardinals" ein Hitalbum abgeliefert, der sie gleich auf große Tourneen katapultierte und gute Kritiken bei den Rezensenten bescherte. Nun ein kleines Lebenszeichen in Form einer Vier-Track-EP mit dem Titel "Dog's Blood".


Die Band baut ihre aggressiven Hymnen weiter aus, spielt weiter mit stimmungsvollen Gitarrenklängen aus dem Hintergrund, die sehnsüchtig vor sich hin jauchzen und die Richtung unterstreichen, bei Alexisonfire ginge es um mehr als nur Hardcore Punk in seiner Reinform herunter zu holzen. Mit wesentlich mehr epischen Glanzpunkten versucht sich Alexisonfire von der Masse abzuheben, baut auf Atmosphäre und Verzweiflung. Auf knapp über zwanzig Minuten hinterlassen Alexisonfire einen bleibenden Eindruck, der sich hören lassen kann. Mit wesentlich mehr Dreck unter den Fingernägeln atmet die EP auch wesentlich mehr Feuer und Leidenschaft als ihr großer Vorgänger mit dem Finken auf dem Cover. 


Dagegen sieht man auf "Dog's Blood" ein typisches Achtziger Hardcore-Punk/Metal-Cover - bunt, plakativ und irgendwie Horror. Mit dieser Mischung aus schrägem Godzilla-Flair und klassischem Hardcore Punk erschreckt die Kapelle nicht ihre Fans mit mittelmäßigen Fürzen aus dem Off wie GWAR, sondern hat das gewisse Etwas. "Dog's Blood" ist keine rührige Ansammlung übrig gebliebener Tracks, sondern ein kräftiger Arschtritt in Richtung ganz oben, ... auch wenn die Band dabei ein wenig traurig dabei schaut. Spaß macht's aber denen dabei zu zusehen. 


Album: Dog's Blood EP
VÖ: November 2010
Label: Roadrunner Records

Cradle Of Filth: Darkly, Darkly Venus Aversa

Um mit der Tür ins Haus zu fallen: der Albumtitel ist viehisch. Versaut und dreckig geht's in den Texten von der englischen Drecksau-Truppe um Dani Flith (zu deutsch "Dreck") zu. Das war schon beim ersten Album vor knapp 17 Jahren so, und wird auch immer so bleiben. Nur dass inzwischen Dani Filth aussieht wie ein gnomiger Sweeny Todd, statt eines echten Metal-Shouters.


"Darkly, darkly Venus Aversa" reimt schon beschwörerisch die Vorzüge viktorianischen Analverkehrs, preist aber auch als "Konzeptalbum" die Vorzüge von Lilith, des biblischen Adam erste Frau und Königin der Succubi. Also jenen Traumwesen, die Single-Männer heimsucht und feuchte Träume und eine stämmige Morgenlatte beschert. Das ist alles bestimmt sehr schön, wenn man sich in die feuchten und nassen Babytage zurückfühlen möchte - mit viel Latex um den Unterleib geschnürt. Viel neues hat also Dani Filth und seine schweinische Truppe nicht für ihre Fans, außer dass Cradle Of Filth wieder schweißtreibende Metalstücke für ihre Anhänger bereit halten, weniger erdig und charaktervoll wie auf den grandiosen ersten beiden Scheiben plus EP "Phallusstein". Wie's halt bei Engländern üblich, variiert man lediglich seinen Sound, das kennt man schon von Motörhead, Judas Priest & Co. 


Metal-Fanzines feiern gehörig ab, holen sich einen runter angesichts der leicht nach oben schlagenden Zacke einer steil nach unten zeigenden Erfolgskurve von Cradle Of Filth. "Darkly Darkly Venus Aversa" ist aber weniger sexy als der Albumtitel verspricht. Viel eher klingt die Scheibe nach Schmerz und Qualen, ... etwas das Analverkehr sicher auch bereiten kann, Lilith vielleicht auch. Die Scheibe kommt noch als Digi-Pack mit ein paar Extra-Tracks daher. 


Album: Darkly, darkly Venus Aversa
VÖ: Bereits erschienen
Label: Peaceville

Sonntag, 19. September 2010

Venom: Eine kleine Nachtmusik



Das erste Live-Album in der bis dato geschriebenen Geschichte der drei Rabauken von Venom erschien 1986. Es wurde u.a. auch im damaligen Ostblock veröffentlicht, wo v.a. die polnische Pressung ziemlich nah der gold umhüllten Originalpressung heran kam. 

Wie war das doch gleich mit "ehret dem erst erworbenen Album ever"? Heute beiße ich mir in den Allerwertesten, gerade dieses - kurz vor der Wende 1989 in der CSSR erworbenes - Doppelalbum verscherbelt zu haben, mangels an Interesses. Denn nach unzähligem Abspielen kratzte es schon arg im Vinyl und der Sound war trotz der fetten Vinyls nicht mehr so astrein. In den Neunzigern erschien eine CD-Pressung im roten Cover, die ebenfalls irgendwie verloren ging. Nun wurde in den letzten Jahren wieder eine CD-Wiederveröffentlichung rausgeballert, die das alte Cover von "Eine Kleine Nachtmusik" wieder aufnimmt und zudem noch komplett remastered wurde. 


Und der hier vertretene Sound kann es wieder mit dem alten Vinylsound aufnehmen. Die warme Live-Atmosphäre (sofern sie noch durch die Over-Dubs durchdringt) der einzelnen Songs klingt wieder durch. Aber das Album krankt an seiner zusammengeschnittenen Art. Es wurde (wie schon beim Original) leider kein komplettes Konzert aufgenommen und vermarktet, sondern zwei Gigs im Hammersmith Odeon (London) und Ritz (New York) zusammen geworfen und die Songs ein- und ausgeblendet. Unglücklicherweise. So entpuppt sich der Zusammenschnitt leider zu einer reinen Live-Compilation, die aber wiederum interessanterweise zwei verschiedene Sounds fährt. 

Wo die Odeon-Mitschnitte irgendwie sauberer klingen, so knarzen die Songs vom Ritz-Gig in N.Y. räudig durch die Boxen. Wieviel davon im Studio nach gespielt wurde, weiß das Trio Infernale nur selbst. Aber es ist bekannt, dass Venom um 1985 / 86 in keiner guten spielerischen Verfassung waren, so dass hier ein goldsüchtiges Best-Of kreiert wurde. Macht nichts, "Eine Kleine Nachtmusik" ist trotzdem ein prima Überblick über die Schaffensperiode von Venom in der klassischen Konstellation. Neben den üblichen Songs (wovon der Hammersmith-"Gig" ein Highlight ist) gibt es noch zwei Soli der Protagonisten Cronos und Mantas zu bestaunen. Bloß gut, dass uns die Drei mit einem Drum-Solo verschont haben, denn die Tempi-Schwierigkeiten von Abaddon sind unüberhörbar. 

Schick auch, dass das Re-Release die Innersleeves des Originals aufnimmt und das Ganze mit Liner-Notes versieht. Kult ist das Posing der Drei, wo Cronos mit Zylinder und fetter Zigarre ziemlich cool rüberkommt. Er ist sowieso die coolste Sau im Metal-Universum. Und die hässlichste zugleich. Und er versucht bei "The Chanting Of The Priests" zu singen. Der Song wurde dann ohne Mantas auf dem unterirdischen "Calm Before The Storm" als Studiotrack veröffentlicht. Der Song hat zwar Potenzial, aber man merkt, dass die Metalpunks von Venom spielerischen Anspruch erheben wollen und das klappt weder in der klassischen Konstellation, noch in jeder anderen Besetzung. So haftet dem Namen Venom immer etwas Pech an. Schade eigentlich, denn als eine der Vorreiter des NWOBHM hätten sie es wie Iron Maiden, Saxon und Def Leppard schaffen können. Aber als Zitatgeber eines damals ganz neuen Genres (Black Metal) gelten sie ja noch immer. Und das kann ihnen keiner nehmen.

Eine kleine Randbemerkung gibt es noch; das nachträglich im Studio eingespielte Sample des Intros stammt von Antonio Vivaldi und nicht wie der Album-Titel suggeriert von Wolfgang Amadeus Mozart. Und noch was; die Songs bieten einen Querschnitt des Schaffens, angefangen von "Welcome To Hell" bis hin zu "Possessed". Zusammen mit dem damals gleichzeitig erschienenen "Hell At Hammersmith"-Video rundet sich aber das Bild der damaligen Venom sauber ab und darf demnach in keiner gut sortierten Venom-Sammlung fehlen.

Stahlblaue Schwingen (1)

Iron Maiden: Live After Death, 1985, Coverdesign by Derek Riggs (Copyright/derek.server311.com)


1988 war's, als F. einen Blechknopf an der Jeansjacke von D. vorfand. Darauf war ein klitzekleines Monster abgebildet, ultramarinblau, umzuckt von weißen und gelben Blitzen. Darüber ein unleserlicher Schriftzug. "Iron Maiden", erklärte D. "Was ist das?", entgegnete F. "Eine Band", setzte D. nach. "Kenne ich nicht. Was für Musik machen die?", fragte F. erneut. "Heavy Metal - bestimmt nichts für dich. - Hör mal, Du kannst aber gut zeichnen. Würdest Du mir dieses Bild vergrößern und abzeichnen?" - "Das habe ich noch nie gemacht, ich kann es aber versuchen."


Die Stundenklingel beginnt zu bimmeln, die Schüler huschen zurück an ihre Bänke. D. ist der beliebteste Schüler, der coolste der Klasse. Er hat Westklamotten an, Jeans, fetzige Shirts. Jeans mit Heavy Metal-Monstern dran. Bei den Mädchen kam er gut an, wegen seines guten Aussehens, zumindest glaubte er das. F. hingegen war ein unscheinbares Würstchen, mit zu großer Brille, Haaren, die völlig verwirbelt waren und ihm ständig ins Gesicht fielen, erste Pickel sprossen. F. war klein, schmächtig, naiv und blass. Heavy Metal, fragte F. sich. Wie mag das klingen? Warum wird auf diese Musik so ein hoher Stellenwert gelegt? 

In der DDR-Plattenbauschule, die an der heutigen Prager Straße, damals noch Leninstraße und ein belebter Ort mit vielen Läden und Ruinen war und heute eine Durchfahrstrecke mit Bürogebäuden ist, in Leipzig liegt, nun seit der Nachwendezeit für körperlich und geistig behinderte Menschen umgebaut ist, war kaum Freiraum sich zu entfalten. Im Sommer heizten sich die Betonplatten auf, im Winter war es oft kalt. F. und D.'s Klasse fand sich zum ersten Mal bei der Einschulung 1981 zusammen, schrumpfte zusehends. Neue Schüler kamen und gingen, und jeder bewunderte F.'s Zeichenkünste. "Mal dies, mal das", hieß es bei den Mitschülern. Oft versammelten sich ein paar um meine Schulbank und schauten ihm beim Zeichnen zu. Meist Rallye-Jagden und lodernde Ritterburgen. F. hat mit Zeichnen seine Kindheit gekillt. Nun passt Heavy Metal sich langsam in sein Leben an. Iron Maiden ist die erste Band, die er durch Fotos und ausgeschnittenen Bravo-Artikeln kennen lernte. 1988 das letzte Jahr, bevor die DDR sich leise verabschiedete. Die Ruhe vor dem Sturm, erstaunlich ruhige Zeit scheinbar.

Der Sommer 1988 ist F. nicht im Gedächtnis geblieben. Nur dass er während der Sommerferien in die Sowjetunion zum Ferienlager reisen durfte. Südlich von Kiew lag der Ort, in einem Kiefernwald stand ein Nobelhotel. Die letzten Wochen als Thälmannpionier. Noch keine 14 Jahre alt, erst 13. Die erste Reise, die ihn längere Zeit und am weitesten von seinem Zuhause in der Stiftsstraße führte. Mehrere Tage Zugfahrt, Heimweh. Seine Mutter hatte extra für die Reise einen schwarzen Jeansanzug gekauft, dass er cool aussehe. 

Aledebaran am Himmel, der rot seine Fahrt begleitete. Von Leipzig ging's nach Berlin. Von dort nach Frankfurt (Oder). Schon damals schmückte auf der Rückseite seines Personalausweises ein buntes Bild von den Scorpions, wie sie live on stage Posen veranstalteten, in zu engen Gymnastikhosen, blitzenden Gitarren, Lederjacken und abenteuerlichen Frisuren. Die Band galt wohl schon damals als Perestroika-Band, jedenfalls bewunderte der sowjetische Grenzoffizier das Bild, mahnte F. aber an, das bitte aus dem Dokument zu entfernen, weil man sonst sein Land nicht achten würde. 

F. verstand, und zog es aus der Hülle ehraus. Das Bild war inzwischen schon leicht fest geklebt, wodurch einige Fetzen im Ausweis hängen blieben. Dann nickte der Offizier zufrieden und stempelte den Pass ab. An der polnisch-sowjetischen Grenze mussten die Kinder und Jugendlichen umsteigen. Jedenfalls fand sich die Reisegruppe aus verschiedensten Jugendlichen und Kindern der DDR in großen und geräumigen Waggons der sowjetischen Staatsbahn wieder. Schlafwaggons, für vier ausgestattet, breite Gänge, großer Speisewagen, wo es nach Zigarettenrauch und Essen roch. Von der polnischen Grenze nach Kiew vergingen noch über 24 Stunden Fahrt. Quer durch nicht zu enden wollende Sonnenblumenfelder, dann durch ewige Birkenwälder. Getreidefelder so weit das Auge reichte. Dimensionen, die die junge Reisegruppe so aus ihren Großstadtkinderaugen nicht erfassen konnten. Eine dicke Frau rollte einen Teewagen durch die Gänge - kostenloser Tee in Teegläsern. Soviel man trinken konnte. Staatsbahnservice. Nachts strahlte Aldebaran vom Himmel, tagsüber die Sonne. 

Während ihres Aufenthaltes in dem Nobelhotel wird F. erwachsen. Oder er nähert sich einem körperlichen Zustand des Erwachsenseins. Damit einher geht auch ein wachsendes Interesse an dem was D. "Heavy Metal" damals im Klassenzimmer nannte. 

Im Ferienlager lernt F. einen Gefährten kennen, der F. was über Metal erzählte. W.A.S.P. wären die kontroversesten gewesen, wegen ihren spektakulären Bühnenshows. "Blind In Texas", ihre Macho-Hymne schießt ihm assoziativ heute noch in das Gedächtnis, wenn er an Blackie Lawless und den Beschreibungen dieses Kameraden nachverfolgen versucht, der schildert, dass Lawless mit Pferdehaarperücke, Blut und Sägeblatt im Schritt Männer wie Frauen beeindruckte. Doch es ginge auch härter. Hauptsächlich fiel der Name "Slayer", aber auch andere Bands waren darunter. Er sei noch am Anfang meiner Entdeckungsreise des Heavy Metal, meinte er, als er F.'s Erzählungen über Iron Maiden n der Bravo und Scorpions vernahm. Damals mochte F. auch Pet Shop Boys und Depeche Mode sehr gerne. Merkte aber bald, dass das vorwiegend Mädchen hörten und distanzierte sich schnell genug, bevor es peinlich wurde. Doch Popmusik fesselte ihn damals mehr. Auch wenn es nur die Suche nach etwas Anspruch war, der ihn beschäftigte. Musik als Lebensinhalt, das kannte F. vor seinem 13. Lebensjahr noch nicht. 

Was F. bis dahin auch nicht kannte, ist dass Mädchen erotisch sind, wenn sie in Nachthemden den Gang hinunter zu den Waschräumen laufen. Unter ihren weißen Rüschenhemden zeichnen sich die Nippel ihre anschwellenden Brüste an. Und was F. bis dato nicht kannte, dass man seinen Körper zu beherrschen lernen muss. Aber nachgeben war auch schön. In diesem sauberen Hotel mit seinen sterilen Zweibettzimmern, den Balkonen mit Blick auf Kiefernwipfeln - das Lager lag inmitten eines Kiefernwaldes - , seinen Fahrstühlen, den damals hochmodernen Innentoiletten und Duschen muss F. mindestens hundertmal seinen Samenergüssen erlegen sein. 

Mit 14 Jahren wird man dann auf das sozialistische Arbeitsleben vorbereitet. Zuerst FDJ, dann Einführung in die sozialistische Produktion, Produktives Arbeiten, GST. In den Unterrichtspausen ringen sich neugierige Gesichter um einen Schultisch, Bravo-Hefte blättern. Die oft abgegriffenen Seiten dieses westdeutschen Jugendmagazins zeigten uns eine andere Welt, die bunter und interessanter ist als der graue Schulalltag von 6 Uhr morgens aufstehen, mit dem Linienbus A zum "Produktiven Arbeiten" zu schaukeln, um in der Nähe der Pferderennbahn Scheibenholz Leiterplatten für Blindenklingeln zu löten oder Flaschenöffner zu feilen. Ausschuss produzieren. 

Der Sinn nach Sex, Mädchen und Musik steht den jungen Mädchen mit ihren schlecht geschminkten Gesichtern, den bunten Glitzertüchern um ihren Hälsen und den schmuddeligen und ungewaschenen Jungs schon ins Gesicht geschrieben, wenn sie müde aus den Augen schauen, sich den Schlafsand aus den Klüsen reiben, müde zur Arbeit schlurfen und sich vor allem auf den frühen Feierabend freuen, der nach dem Mittagessen auf sie wartet. Dann schnell nach Hause, Radio anschalten, Comics lesen, Milch trinken und Kekse essen. Zumindest sieht so der Tagesablauf von F. aus. Sportlich war F. nicht und ist es heute auch nicht. Doch beim Hören der Charts auf irgendeinem westdeutschen Sender, meist RIAS Berlin, schnappt F. sich Papier und Stifte, und zeichnet spontan ein krakeliges Monster aus dem Gedächtnis, das ihm D. mit seinem Button zeigte. I-R-O-N-M-A-I-D-E-N, malt F. langsam auf. Was mag das wohl heißen?

Samstag, 19. Juni 2010

Periphery: Periphery

Metalbands gibt es wie Sand am Meer. Schwer genug den Überblick zu behalten, für Fans und Bands. Nun versucht "Periphery" ihr Glück. Unlängst haben sie ihr gleichnamiges Debüt veröffentlicht. Was für Musik erwartet den geneigten Hörer? 

Innerhalb des schier unübersichtlichen Meeres aus aggressiv rockenden Gruppen heraus zu ragen ist keine leichte Sache. Auch für "Periphery" nicht. Deswegen versuchen sie möglichst progressiv und abwechslungsreich zu klingen. Da werden pro Stück gleich drei unterschiedliche Stile und Songs rein gepackt. Ist auch nicht schlimm, weil "Between The Buried And Me" und andere Gruppen das auch machen. Aber "Periphery" machen einen Fehler. Sie knüpfen die lose aneinander gelegten Fäden nicht zusammen. Dadurch wirkt die heftig dröhnende Musik zusammenhanglos. In Sachen Harmonien und Riffs unterscheidet sich "Periphery" nicht besonders groß von "Mnemic" und "Meshuggah". Das macht die Musik und somit auch das Album austauschbar. Auch wenn "Periphery" alles etwas anders machen. In der Regel klingt das vorliegende Debüt zu sehr nach Meshuggah. 

Dem Sänger fehlt die gehörige Portion Druck in der Kehle, um wirklich krank zu klingen Wenn er dann seine klare Stimme auspackt muss er zum Harmonizer greifen. Also das Ding, was amerikanische R'n'B- und Boygroup-Stars verwenden, das die klare Stimme so komisch verzerren lässt. Wenn er dann doch mit seiner echten Stimme um sich wirft, hat man den Eindruck, dass er manchmal die Töne nicht richtig trifft. Oder sie so rauspresst, dass nur komische kehlige Laute anklingen, die vor allem nerven. Und was sollen die elektronischen Klänge, die ich eher bei Björk und Co. hören will, aber nicht bei einer Metalband? 

Ich persönlich weiß nicht, ob das Album in zwei bis drei Jahren noch jemand anpackt. "Periphery" beweisen zwar eindrucksvoll, dass sie etwas von ihrem Handwerk verstehen. Aber sie stehen noch zu sehr unter der Fuchtel der Nachahmerei. Und das, was sie anders angehen wie ihre Vorbilder von "Meshuggah", lässt die Scheibe auch nicht überzeugend im Licht der Kritik und Skepsis aussehen. Schade um die Zeit, um das Geld und so vieles mehr. Da nützt auch der sehr gute Sound nichts.

Album: Periphery
VÖ: Bereits erschienen
Label: Roadrunner Records

Ozzy Osbourne: Scream

John ist schon immer der Entertainer gewesen. Ob in der Kneipe oder auf der Bühne; John Michael Osbourne zieht immer alle Blicke auf sich. Und weil John immer so ein lässiger und lustiger Knabe war, bekam er den Spitznamen "Ozzy". Und Ozzy Osbourne macht seit den späten Sechzigern Musik. Dunkle Musik, wie eh und je. "Scream" heißt sein neues Werk, das am 18. Juni in die deutschen Kaufhäuser gestellt wurde.

Mit der britischen Schwermetallband Black Sabbath konnte Ozzy Osbourne dem tristen Industriealltag aus Kneipe, Knast und Gelegenheitsjobs entfliehen. Mit Toni Iommi, Geezer Butler und Bill Ward eroberte Ozzy die Musikwelt mit dem neuartigen Klang aus Blues, Rock und schweren Gitarren. So schwer, dass die Band als Initiator des "Heavy Metal" gilt und für viele heutige Bands immer noch Vorbild ist.

Nach vielen Erfolgsalben, noch mehr Drogen und Alkohol war für Ozzy Ende der Siebziger der Ofen aus bei Black Sabbath. Er musste den Platz am Mikroständer dem inzwischen an Magenkrebs verstorbenen Ausnahmesänger Ronnie James Dio räumen. Seitdem macht Ozzy Osbourne sich als Solosänger einen Namen. Und das macht er seit 1980 äußerst erfolgreich. Alben wie "Blizzard Of Ozz", "Diary Of A Madman" und "No More Tears" gelten noch heute als Klassiker. Selbst der "Madman" und "Prince Of Darkness" hat manchmal Mühe, an diese Scheiben heran zu reichen. Doch irgendwie schafft das ewige Stehaufmännchen des Rock'n'Roll seine Fans mit seinen Werken zu überzeugen. Ob an seinem neuesten Werk "Scream" etwas dran ist?

Als Einstand für seinen neuen Silberling hat sich Ozzy schon mal in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett gesetzt und fleißig Leute erschreckt. Mit dem kindischen Spaß brachte er viele Leute zum Schreien. "Scream" heißt auch sein neues Werk. "Soul Sucka" sollte es ursprünglich heißen. Aber die Fans empfanden es wohl zu einfallslos. Doch der Track ist immerhin noch als Überbleibsel für dieses Namensvorhaben übrig. Aber wie ist die Musik von "Scream"?

Nach 1995 und dem Überwerk "Ozzmosis" ist 2010 wieder einmal Zakk Wylde nicht mehr dabei. Da Zakk in den letzten Jahren maßgeblich am Songwriting von Ozzys Alben beteiligt war und er es diesmal nicht ist, sind natürlich alle gespannt, wie das Ergebnis klingen wird. Egal, was man von "Black Rain" und "Down To Earth" halten mag.

Schon beim Einstieg "Let It Die" pumpt der Bass ordentlich in die Magengegend. Darin zählt Ozzy all die Attribute auf, die für ihn zutreffen. Zumindest das Bild, was durch ihn und durch die Medien vermittelt wird. "Let it die" ist sein abschließendes Fazit bei diesem eingängigen Ohrwurm, der auch auf "Ozzmosis" oder "No More Tears" Platz gefunden hätte. Auch bei "Let Me Hear You Scream" geht der alte Mann ganz jugendlich ran, als wären die letzten zwanzig Jahre von "No Rest For The Wicked" und "No More Tears" erst vorgestern geschehen. Soll heißen, Ozzy klingt frischer und feuriger als auf seinen letzten beiden Werken. 

Der neue Gitarrist Gus G. macht seine Arbeit grandios, bringt das nötige Feuer ein. Auch wenn Zakk Wylde stilistisch überall hervorlugt. Aber das ist egal bei dem hohen Spaßfaktor dieser Scheibe, die bei "Soul Sucker" die blecherne "Iron Man"-Stimme auspackt. Überall sind wieder die gelungenen Refrains, die man auf "No More Tears" so liebte. Woher Ozzy mit seinen 62 Lenzen die Power hernimmt und in seine Stimme auch eine gehörige Portion Variabilität neben seinen typischen Greinen reinpackt, kann sich nur medikamentös erklären. Oder der Mann ist einfach nur gut drauf. Ich glaube eher, das liegt am Produzenten Kevin Churko, der am Album mit geschrieben haben soll. Schon bei dem Vorgängeralbum "Black Rain" übte sich Churko bei zwei Stücken noch etwas unauffällig als Co-Songwriter. Jetzt scheint die Liaison gelungen.

Selbst bei "ruhigen" Stücken wie "Life Won't Wait" und "Crucify" kommt keine kitschige Feuerzeugschwenk-Stimmung auf. Im Gegenteil. In "Time" dürfen dann doch noch alle ihre Taschentücher auspacken. So schön kann Weinen mit Ozzy sein. Der Madman ist trotz seiner rotzig in Musik gegossenen Attacken ein Typ, der mit Alters- und Lebensweisheiten um sich wirft. Und er kann auch noch "düster". Das grantige Doomstück "Diggin' Me Down" ist so unglaublich heavy, dass so mancher Jungspund seine raus laufende Spucke vor Staunen zurück schniefen muss. Und überall sind auf "Scream" keine Ausfallerscheinungen in Sachen Songwriting erkennbar! Wunder geschehen doch noch! 

Irgendwie beschleicht mich gerade bei diesem Album, dass Ozzy sein bis dato persönlichstes Werk geschrieben hat und uns allen etwas auf den Weg geben will. Spätestens wenn er bei seinem letzten "Lied" liebevoll und zärtlich "I Love you All" sagt, scheint irgendwie Abschiedsstimmung auf zu kommen. Aber wie hat Ozzy schon vor zwanzig Jahren postuliert? "Retirement Sucks!" In diesem Sinn! Weitere sechzig Jahre werden es nicht, auch keine zwanzig oder zehn. Ozzy, wir haben auch dich lieb. Vor allem, wenn Du bei uns bist und bald auf Tour kommst. Falls nicht, dann ist "Scream" dein jugendliches Alterswerk. Voller Weisheit, Einfallsreichtum und all dem, was Ozzy-Fans an Ozzy lieben. Nämlich pures Entertainment."Scream" ist ein Knüller! Hut ab!

Album: Scream
VÖ. 18. Juni 2010
Label: Sony BMG

Donnerstag, 27. Mai 2010

Neue WGT-Linie: Die wunderliche Reise mit der Linie 31

Müde versunken wiegen Schwarzröcke in der Nacht zum Samstag im steten Takt der schaukelnden Tatra-Bimmel. Die Linie 31 verbindet das agra-gelände mit der Innenstadt, indem sie von der Karl-Liebknecht-Straße Richtung Tabaksmühle abbiegt und dann zu den Tierkliniken einschwenkt. So dass alle auseinander liegenden Locations miteinander verbunden werden und keiner laufen muss.

Ab diesem Jahr wird die Straßenbahnlinie 11 zum WGT durch die Sonderlinie 31 verstärkt. Diese verkehrt zwischen Hauptbahnhof und Straßenbahnhof Dölitz über Augustusplatz zum Wilhelm-Leuschner-Platz, weiter zur Haltestelle Bayrischer Bahnhof und dann bis zur Haltestelle "An den Tierkliniken". Anschließend verkehrt die Straßenbahn über Zwickauer Straße, Richard-Lehmann-Straße und Karl-Liebknecht-Straße zur Haltestelle Connewitz, Kreuz und dann weiter zum Straßenbahnhof Dölitz. Was auf der neuen Strecke so passieren kann, weiß keiner so richtig. Erzählen sich später vielleicht Fahrgäste von der wundersamen nächtlichen Reise mit der Linie 31. Denn offenbar scheint nicht jedem bekannt zu sein, wohin die neue WGT - Bimmel führt. Und offensichtlich gibt es hier auch etwas zu erleben.

"Fährt die Straßenbahn über den Augustusplatz?", fragt eine junge Frau einen schwarz gekleideten Fahrgast mit Kapuzenjacke und Schlips. Sie schwenkt eine Lache Bier in der von ihrer Faust aufgewärmten Flasche. "Sicher. Alle Wege führen in die City." entgegnet müde der Fahrgast und nestelt nervös sein Festivalbändchen. Sie scheint seiner Antwort zu vertrauen. Wenig später steigt die Dame mit ihrer Freundin in den hinteren Waggon, weil dort noch Sitzplätze frei sind. 

Eine Haltestelle später steigt ein Punk mit seiner Liebsten ein. Sichtlich unsicher schwankt er auf dem wackelnden Boden. Bierfahne. "Fahrkartenkontrolle!", ruft er in den halb gefüllten Wagen, lacht und schiebt sich an einen Einzelgänger in der hinteren Wagennische an. "Du bist wohl der Eckenwart hier, hää?", fragt er lallend grinsend er zu dem jungen Mann. "Sozusagen.", murmelt er unsicher ins Leere. "Hey!!!", ruft der Punk mit dem roten Irokesenschnitt in die Bimmel, "Wo sind eure Fahrausweise. Ihr seid wohl alle Schwarzfahrer?", kichert er über seinen schrägen Witz. Ihn schauen zwanzig Augenpaare an. "Guck mal die, dieser Wabbel da vorne mit den Netzstrumpfhosen.", rempelt er den in der Nische stehenden Schlipsträger an. "Sieht das zum speien aus." Der Getroffene ist sichtlich unwohl mit seinem neuen Nachbar an seiner Seite. "Wem es gefällt", antwortet einsilbig der Genervte. "Hey, was nimmst Du denn für Drogen?", fragt ungeduldig der bunte Mann in der zerschlissenen Jeans. Seine Zähne blitzen braungelb und stumpf glänzend aus dem feixenden Gesicht. Der unfreiwillige Gesprächspartner sagt: "Keine." 

Staunen beim Gegenüber. "Aber wenigsten Alk ohne Ende. Schalalala!" - "Nö." Es herrscht kurze Zeit Stille in der Wagenecke. "Ahhh, verstehe. Aber nächste Woche auf der Wiese rumliegen. Gesicht in der Sonne. Hahahaha." Dann wendet sich der Punk torkelnd anderen Gesprächspartnern zu. "Wohin gehts?" - "Wissen wir nicht. Mal sehen, wohin uns die Bahn trägt." - "Hmm. Ihr wisst nicht, was ihr macht hier?", fragt der langsam aufwachende Mann mit der bunten Frisur. "Komm", sagt er zu seiner Freundin, "ich habe genug von der Bande. Haun wir ab!", drückt den Türknopf und steigt wankend aus.

Inzwischen steigen auch Schwarzkittel aus, nachdem die ruckende Bimmel quietschend von der "Karli" abgebogen war. Wahrscheinlich vertrauen sie der Linie 31 nicht so ganz und wollen auf der ihnen vertrauten Strecke bleiben. Kein Wunder, werden sie auch in der Bahn nicht auf die neue Streckenführung hingewiesen. Nur die Haltestellenanzeige blinkt auf. Kein Plakat oder Zettel, auch kein Plan wird in der Tram den meist ausländischen Gästen angeboten. Abseits der normalen Streckenführung fühlen sie die "Gruftis" dann auch teils hilflos, teils amüsiert den Widrigkeiten der nächtlichen Fahrt ausgeliefert.

In der nächsten Haltestelle kurz vor den Tierkliniken steigen drei junge Männer mit mehreren Basecaps auf den Köpfen zu. "Ya Man! Ya Man!", rufen sie in die Bahn, den schwarzen Haufen ignorierend. Sie turnen am Gestänge herum, haben ihren Gleichgewichtssinn nicht in Beherrschung, torkeln absichtlich unabsichtlich gegen stehende Schwarzkittel. "Gotenschubsen", nennen sie das. Die Fahrgäste beobachten die seltsame Szene. Die drei Männer springen zum Klappfenster. "Sieh mal, wer das Feuer dort wohl nur gelegt hat?", lallt der eine. Sie lachen und nicken sich wissend zu. Sie freuen sich über das flackernde Feuerchen auf dem schmalen Grünstreifen in der Nähe der Alten Messe. "Ya Man! Ya Man! Ya Man!" Wie kleine Äffchen hangeln sich die Typen am grauen Gestänge entlang. Der eine macht Anstalten, etwas aus seiner Tasche zu holen. Der grüne Filzschreiber wird unsicher über die Innenwände und Scheiben geführt. Krikelkrakel, das wie Schriftzüge erinnert. 

Nun steigt der eine Kompagnon plötzlich aus. Aufmerksame Beobachter sehen ihn jetzt an der Haltestelle mit einem Prinzesschen in schwarzen Rüschen aufgeregt reden. Seine beiden Kumpel scheinen das nicht mitzukriegen. Einer stellt sich auf dem Boden liegend tot. Er grinst dabei. Scheinbar findet er das lustig. Sein Kumpan versucht ihn aufzuhelfen. "Komm schon, Sebastian ist weg." - "Was?". Anscheinend wieder nüchtern geworden erhebt sich der Basecap-Träger unsicher. Beide reißen die Türe auf: "Hey, Ya Man! Hallo Ya Man!!", rufen beide. "Steig wieder ein!" Sebastian macht keine Anstalten einzusteigen, er flirtet mit dem Mädchen. "Wo is`n der Stift? Hast Du einen Stift einstecken?", fragt der junge Mann den Fahrgast in der Ecke. "Nein, ich habe keinen dabei." antwortet dieser während ihm ein Kugelschreiber am orangefarbenen Band am Hals hin und her baumelt, das ihn offenbar als einen Vertreter der schreibenden Zunft ausweist. "'Ne Zigarette?" - "Ich rauche nicht, Sorry.", grinst der Angesprochene zurück. Am Bayrischen Platz reißen beide die Türen auf. Die Haltestelle ist noch nicht erreicht. "Ya Man! Ya Man" schallt es in die Nacht.

In Leipzig muss sich niemand verfransen. Hilfreich ist wohl, dass die LVB separat zum Treffen mit Flyern auf die neue Linienführung zum WGT hinweist. Oder mit der Treffenleitung vereinbart, einen extra für das Treffen herausgegebenen Fahrplan mit den eingezeichneten Streckenführungen an die Besucher herausgibt. Service kann man manchmal so einfach ein.

Mittwoch, 24. Februar 2010

Germanische Mythen und Metal: Black Sabbath - "Tyr"

Zähfließende Riffs, Lava-Klänge, pulsierend schleppender Bass. Die finstere Mischung aus Blues, schrubbenden Akkorden und klagender Gesang hat die Rockzene belebt. Fortan war Heavy Metal Bestandteil der Musik. Seit Black Sabbath und den Beginn der Siebziger. Flower Power ist nicht mehr.

Wilkommen in der Realität. Mit Ozzy hatte Black Sabbath einen Texter, der sich mit Umweltzerstörung, mit sich selbst und Kriegen beschäftigte. Doch nach dem Bruch mit dem charismatischen Sänger während der "Never Say Die"-Tour 1978 orientierte sich Black Sabbath neu um. 

Willkommen in den Achtzigern. Das hieß kommerzieller Hardrock, Mythen, Hexen und Teufel. Und Ronnie James Dio. Nur für zwei Alben lang. Gitarrist suchte nach dem Weggang von Dio neue Lösungen. Fand Ian Gillan von Deep Purple. "Born Again" war nichts. So musste Tony Martin ran. Bislang unbekannt, sang der Falsett-Sänger Alben wie "Eternol Idol", "Headless Cross", "Cross Purposes" und "Forbidden" ein. Und eben die germanische Mythen-Saga "Tyr". 

Das war 1990, mitten im Umbruch der Metalszene. Death Metal kam auf. Thrash Metal starb langsam ab. Es blubberten bunte Metalbands auf, die Jane's Addiction, Faith No More und Red Hot Chili Peppers heißen. Und irgendwie doch nicht Metal waren. Mitten drin im durcheinander gewürfelten Musikgelage, stellt sich "Tyr" breitbeinig hin und sagt: "Ich höre mich zwar nach schnödem Achtziger Hardrock an, schnulze mich mit 'Feels Good To Me' in die Hard Rock-Charts, habe einen ziemlich guten Sänger am Start, doch habe ich den Anspruch eine Art Konzept drumherum zu weben. Nämlich Walhalla aufzuleben, und die Kreuzzüge. denn Irgendwie waren ja die christianisierten Franken auch noch germanisch. Kriegerisch eben. Viele haben auch geschrieben, dass sogar die Gotik als Bau- und Kunststil irgendwie germanisch ist, die Kathedralen alten Thing-Plätzen nachempfunden waren. Warum soll ich nicht ein antiquiert klingendes Album darüber schreiben? Das Thema wurde bis jetzt fast gar nicht behandelt. Also erheben wir den Anspruch, die ersten zu sein. Auch wenn wir alles durcheinander werfen. All diese Pagan-Metal-Jungs bereiten im Prinzip unser Thema auf, nur mit schlechteren Texten und schlechterer Musik. Nicht solche erhabenen Kompositionen, wo Tonis Gitarre immer noch so brettert, wie zu 'Paranoid' und die Trommeln ordentlich rumpeln. Eben  wegen den leider bereits verstorbenen Cozy Powell, dem wahren 'Thor an den Trommeln'. Der andere von der Suppenkasper-Gruppe Manowar hat sowieso nichts drauf."

Sprachs und zieht hitverdächtige Granaten wie "Heaven In Black", "The Sabbath Stones", "Jerusalem" und "Feels Good To Me" aus der ledernen Tasche. Black Sabbath haben in den Achtzigern und neunzigern ihr von Ozzy geprägtes Stimmungsbild verloren, doch die Kompositionen sind gerade auf "Tyr" ausgereift und ohne Schnörkel auf den Punkt gebracht. Eigentlich ist Black Sabbath hier eine komplett andere Band, die mit "Tyr" eine beachtliche Aufwärtskurve in ihre gebrochene Geschichte vorweisen kann. Und Black Sabbath behandeln ein Thema völlig ohne Pathos und Verklärung. Hier erzählt Sänger Tony Martin viele kleine Geschichten um die Christianisierung und Kreuzzüge im Mittelalter. Ein wenig klingen die germanisch-heidnischen Wurzeln der Geschichten an. Doch hier wird keine Hasstirade auf jetzt lebende Priester abgelassen, oder Sauflieder feil geboten.

Erschienen: August 1990

Spielzeit: 39:58

Tracklist:

1. Anno Mundi
2. The Law Maker
3. Jerusalem
4. The Sabbath Stones
5. The Battle Of Tyr
6. Odin's Court
7. Valhalla
8. Feels Good To Me
9. Heaven In Black

Weitere Infos:

Samstag, 6. Februar 2010

Jazz ganz anders: "The Great Misdirect" von Between The Buried and Me erhellt den Geist

Es ist am Anfang der große Überblick. das Gefühl, die Sonne steht orangefarben scheinend über den Horizont. Ein Bass blubbert jazzig aus der Ferne, eine Gitarre seufzt, Gesang trägt elegisch eine Ballade vor. Dann schlagartiger Szenenwechsel im Sekundentakt, gewittrige Wolken ziehen über die Idylle auf. Die amerikanische Mathcore-Band Between The Buried And Me definieren mit ihrem 2009 erschienenem Album "The Great Misdirect" Musik als ewigen fließenden Klangstrom.

Einstieg auf Platz 36 in den US-Charts bei einer so extrem vielfältigen und eigentlichen Chart untauglichen Musik, weltweit sich vor Lobpreisungen überschlagende Reviews, .... Pink Floyd des Metal und Hardcore Punk. Die Musikanten um Sänger Tommy Rogers spulen kein übliches Metalprogramm ab. Hier gibt es keine Schlager-Peinlichkeiten a la Manowar & Co. Hier schreddern auch keine Hänflinge entblödete Riffs und kucken böse in der Gegend herum. Mit den Gitarristen Paul Waggoner, Dustie Waring, dem Bassisten Dan Briggs und Schlagwerker Blake Richardson hat sich Sänger Tommy Rogers Leute ins Boot geholt, die von Fach sind. Die Rhythmussektion lässt sich von Jazz, Progressive Rock, Metal und Blues gleichermaßen beeinflussen. Rogers pendelt zwischen brutalen Hardcore-Shouts und hohem Falsett, erzählt stimmungsvolle Geschichten. Das instrumentale Fundament schillert in allen Farben, Stimmungsmeere von Skalen und wilden Taktfolgen stürmen auf den Hörer ein. Dann schlagartige Ruhe. Fließende Übergänge, die Songs verlieren ihren individuellen Charakter. Keine Hits. Nur das Aufblitzen von unglaublich dicht erzählten und gestrickten Momenten der befreienden Klarheit, dann des stickigem Dickichts aus Angst und Wut.

Das fünfte Studioalbum von Between The Buried And Me ist keine Veröffentlichung, die sich einem sofort erschließt. Für die mitunter zehnminütigen Erzählungen der sechs Titel braucht man Zeit. Vergleiche mit dem Vorgängeralbum "Colors" tun sich auf. Wo "Colors" auf dem ersten Blick mutiger, krasser und vielleicht auch schroffer zu Werke ging, erscheint "The Great Misdirect" flüssiger, weniger dynamisch und ausgereifter. Man hört, dass sich die Musiker entwickelt haben und sich nicht einfach auf herkömmliche Songstrukturen beschränken. Das kann auf der einen Seite für manche erfrischend, erhellend sein. Für andere ist "The Great Misdirect" ein zugangsloses Stück Jazz.

Das Album wurde am 27. Oktober 2009 via Victory Records veröffentlicht.

Spieldauer: 59:34 Minuten

Tracklist:


1."Mirrors"  3:38
2."Obfuscation"  9:15
3."Disease, Injury, Madness"  11:03
4."Fossil Genera - A Feed from Cloud Mountain"  12:11
5."Desert of Song"  5:34
6."Swim to the Moon"  17:54



Mehr Infos unter BTBAM-Myspace

Freitag, 5. Februar 2010

Technoider Pop: Mnemic jonglieren mit Systemen

Poppige Gesangsharmonien verschmelzen mit schwebenden Halleffekten und bassigen Rhythmen zu einer Metalllegierung. Geht nicht? Doch. Nachdem die schwedischen Berufsverrückten von Meshuggah bewiesen hatten, dass Metal keine tragisch geheulte Einheitssoße sein muss, sondern durchdachten Anspruch hat, treten immer mehr Metalbands in die großen Fußstapfen der Ambientmetal-Pioniere.

So auch die dänischen Mnemic. Die 1998 gegründete Band hat mit ihrem am 15. Januar 2010 veröffentlichten Album "Sons Of The System" unterstrichen, dass man Meshuggah zum Vorbild haben kann, aber nicht nicht zwangsläufig nachmachen muss. So rucken und zucken die die fünf Musiker eindrucksvoll durch elf abwechslungsreich gestrickte Titel. Es wechselt sich der über die pumpenden Gitarrenteppiche spannende Gesang Tony Jelenovichs mit brutalen Rhythmen ab. 

Pop trifft auf Metal.  Mnemic verstehen es, trotz vieler eingängiger Harmonien immer noch hart zu klingen. So besitzen die einzelnen Tracks alle ein episches Gewand aus Keyboardklängen, rumpelnden und messerscharfen Gitarrenriffs und schlängelnden Bassläufen.  Vor allem im Stück "March Of The Tripods" klingt Jelenovich mit seiner klaren Stimme besonders melancholisch, sehnsüchtig und eindringlich. Die Instrumentalsektion schafft hier stimmungsvolle Klangräume und untermalt mit futuristisch klingenden Taktgerüsten dramatisierend schillernde Effekte. Alles sitzt passgenau und maßgeschneidert.

"Sons Of The System" stellt jedem Zweifler vor die Wahl. Entweder zu akzeptieren, dass emotionale Eingängigkeit und durchdachter, intelligent gestrickter Metal besser zusammen passen als bisher angenommen. Oder man lässt es bleiben. Fans von Meshuggah, Fear Factory, Hacride und anderen Cyborg-Metallern ist "Sons Of The System" die willkommene Ergänzung. Dann verkürzen sich die Tage und Wochen zum nächsten Auftritt um so schöner.

Mnemic, Sons Of The System, bereits erschienen

Label: Nuclear Blast

Tracklist:


  1. "Sons of the System" - 5:35
  2. "Diesel Uterus" - 4:31
  3. "Mnightmare" - 4:55
  4. "The Erasing" - 4:07
  5. "Climbing Towards Stars" - 4:41
  6. "March of the Tripods" - 6:53
  7. "Fate" - 3:35
  8. "Hero(in)" - 5:15
  9. "Elongated Sporadic Bursts" - 3:51
  10. "Within" - 4:45
  11. "Orbiting" - 4:42
Mehr Infos unter Mnemic Official